Das Jahr 2014 hielt bereits einige Superlative für die noch junge Spielgemeinschaft Frei-Laubersheim/Hackenheim/Winzenheim bereit: Pokalsieger im rheinhessischen Tischtennis-Verband, 9. Platz bei den deutschen Pokalmeisterschaften für Verbandsklassen und die Vorrunde der Verbandsoberliga Serie 2014/15 wurde auf Rang 3 abgeschlossen. Was sollte dem noch so spät im Jahr die Krone aufsetzen?
200 Zuschauer in Lauwe
Als die Mannen um Spielführer Kristof Bielinski und Kameramann Christian Peinemann samstags ins beinahe 500 km entferne Lauwe aufbrachen, war noch nicht zu ahnen, dass es ein Spiel für die persönlichen Geschichtsbücher werden sollte. Lauwe, ein kleiner belgischer Ort nahe der Grenze zu Frankreich und der Stadt Lille, scheint ein tischtennisverrückter Ort zu sein. Bereits bei Ankunft konnten die SG-Spieler in den Orten Lauwe und Menen (hier war das Spiellokal) Werbeplakate für das Spiel am folgenden Tag erkennen: „Europapokal 1/16-Finale, TTC and Leie Lauwe gegen SG Frei LHW hieß es dort, was würde die Kombinierten am nächsten Tag wohl erwarten? Das wurde schnell klar, als man am frühen Sonntagmorgen die Halle betrat. Der Mannschaftführer der Gäste, Kurt Kind, eröffnete sichtlich beeindruckten SG-Spielen, dass nicht weniger als 200 Zuschauer erwartet werden würden! Ein Kulisse, die nicht alle Bundesligavereine im deutschen Tischtennissport erreichen. Und diese stets sportlichen Fans sollten ihre Spieler in einem dramatischen Viereinhalbstundenkrimi bis ins Entscheidungsspiel tragen.
Lauwe in Bestbesetzung
TTC Lauwe – in der ersten Runde des Intercup erfolgreich mit 4:1 gegen die französische Vertretung aus Charenton – spielte in der bestmöglichen Aufstellung Bart Soete, Fries Mourisse und Bob Devos. Die SG stellte die bewährten Spitzenkräfte aus der ersten und zweiten Herrenmannschaft Kristof Bielinski, Heinz Marzell und Holger Schwierz dagegen.
Dramatische Spiele von Bielinski und Schwierz, 1:2 Rückstand
Als um 10.30 Uhr das erste Einzel zwischen Bart Soete und Heinz Marzell startete, passte keine Maus mehr in die Halle. Schätzungsweise tatsächlich 200 Zuschauer warteten auf das nächste Tischtennisspektakel ihrer heimischen Mannschaft, die in der 2. Liga Flandern aktiv ist. Für die SG eine einmalige Kulisse, für die Gastgeber normal, denn in Lauwe wird Tischtennis zelebriert.
Bart Soete, ein Abwehrspieler mit langen Noppen auf der Rückhand legte gegen Marzell los wie die Feuerwehr. Er gewann den ersten Satz mit 11:5 und unter dem bereits früh einsetzenden Jubelgesang der Fans konnte er auch im zweiten Satz in Führung gehen. Marzell, ein Spezialist gegen Defensivspieler, konnte den Satz aber offen gestalten, allerdings bei 10:7 drei Satzbälle nicht nutzen. Bei 11:10 musste er seinerseits einen Satzball abwehren, um dann seinen 4. Satzball zum knappen, aber verdienten Satzausgleich, zu nutzen. Im dritten Satz veränderte Soete aber seine Taktik, griff mehr an und konnte so Marzell mehr und mehr aus dem Konzept bringen. Soete gewann erneut 11:5. Der vierte Satz verlief auf Augenhöhe und Marzell ackerte und kämpfte, um im Spiel zu bleiben. Bei 9:10 konnte er den letzten Matchball gegen sich nicht mehr abwehren und unter dem Jubel der Zuschauer ging der TTC Lauwe mit 1:0 in Führung.
Im zweiten Einzel kam es zur Partie von Fries Mourisse und Kristof Bielinski. Diese Partie sollte der Weckruf für die SG sein. Bielinski, ebenfalls beeindruckt von der lärmenden Kulisse, konnte den ersten Satz zwar noch gewinnen, war denn aber zweieinhalb Sätze ohne echte Chance. Bei dem Spielstand von 12:10, 3:11, 6:11, 5:10 sah man schon strahlende Gesichter auf der Spielerbank der Gastgeber und unter den Zuschauern, doch was in der Folge passierte, sollte die Einleitung zu einem echten „Europapokalschlager“ werden. Bielinski konnte fünf Matchbälle abwehren und sensationeller Weise den Satz noch mit 12:10 für sich entscheiden. Im Entscheidungssatz spielte Bielinski gegen den doch leicht geschockten Gegner stark auf und ging scheinbar komfortabel mit 9:6 in Führung. Bei 10:9 und 11:10 hatte Bielinski die ersten beiden eigenen Matchbälle, die er jedoch ungenutzt verstreichen ließ. In der Halle konnte man inzwischen sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Angefeuert von Fries-Fries-Fries-Gesängen kam Mourisse zurück und erspielte sich sogar einen sechsten Matchball. Bielinski konnte diesen dank mutiger Spielweise aber abwehren und bei 13:12 ein kaum fassbar knappes Spiel mit dem dritten eigenen Matchball zum Sieg abschließen. Diese Partie hätte eigentlich zwei Sieger verdient gehabt. Als die beiden Gegner sich nach dem Spiel fair die Hände schüttelten, war zum ersten Mal wieder Ruhe in der Halle eingekehrt.
Den Abschluss in der ersten Einzelrunde machte die Partie Bob Devos gegen Holger Schwierz. Schwierz beherrschte den sichtlich nervösen Gegner durch gutes Aufschlag-Rückschlag-Spiel. 11:4, 11:7 hieß es nach den ersten beiden Durchgängen für Schwierz. Wenn man Schwierz Bilanzen der letzten Jahre betrachtet, dann steht dort eine 100% Erfolgsquote bei 2:0-Satzführungen zu Buche. Also alles klar? Leider nein! Schwierz schien dem Ausmaß nervöser zu werden, wie der Gegner mit dem Rücken an der Wand besser wurde. Die Sätze drei und vier gingen mit 3:11 und 9:11 verloren. Hierbei konnte Schwierz im vierten Satz eine 6:3-Führung nicht nutzen. Im fünften Satz sollte sich das nächste Drama in Lauwe ereignen. Devos zog mit 5:1 davon, Schwierz kämpfte sich zurück auf 6:6, und konnte sogar mit 8:6 in Führung gehen. Bei 9:9 produzierte er allerdings einen Fehlaufschlag und sah sich dem ersten Matchball für den Gegner ausgesetzt. Er konnte diesen und zwei weitere abwehren, doch seine Aufschlagschwäche in diesem Spiel sollte verhindern sich ebenfalls in der Verlängerung des Entscheidungssatzes einen Matchball zu erarbeiten. Am Ende musste Schwierz im ohrenbetäubenden Lärm seinen Gegner zu einem allerdings durch ihn selbst mitverursachten Sieg gratulieren.
Doppel bringt den 2:2-Ausgleich für die SG
Im Doppel standen sich nun Mourisse/Devos und Bielinski/Schwierz die Akteure der beiden dramatischen Einzel wiederum gegenüber. Die SG-Akteure spielen in der Saison nicht regelmäßig zusammen. Marzell hatte dagegen mit beiden Spielern schon jahrelang und erfolgreich zusammengespielt, daher fiel diese Entscheidung erst nach längerer Diskussion aller dreier Spieler. Schwierz und Bielinski schienen die Aufregung aus den Einzeln gut verkraftet zu haben und kamen dank klarer Spielstrategie und Absprachen zwischen den Ballwechseln zu zwei klaren Satzgewinnen. 11:6 und 11:7 hieß es vor Durchgang drei. Hier konnten sich die Belgier dank eines 11:8 ins Spiel zurückbringen. Im vierten Durchgang sah man ein SG-Doppel wie in den ersten beiden Sätzen. Allerdings machten es Bielinski und Schwierz trotz 10:7-Führung noch einmal spannend. Wie schon beinahe normal mussten erstmal zwei Satzbälle abgewehrt werden, bevor dann doch der vierte Matchball den Sieg brachte. Die SG glich somit im Mannschafskampf auf 2:2 aus!
Bielinski? Wahnsinn! 3:3
Bei 2:2 kam es nun zur Partie Bart Soete gegen Kristof Bielinski. Beide Spieler sind durchaus mit ähnlichem Spielsystem ausgestattet, agieren sie mit langen Noppen auf der Rückhand eher defensiv, während die Vorhand jedoch meistens zum Angriffsspiel genutzt wird. Bielinski dominierte den ersten Satz und gewann 11:3. Dies deutete auf eine klare Sache hin. Aber warum hier, warum heute? Bielinski, zunehmend durch die Angriffsattacken des Gegners gestört, verlor im zweiten Satz jegliche Dominanz und es wurde erneut ein Spiel, wie es dramatischer kaum ausgedacht werden könnte. Er verlor Durchgang zwei mit 11:6, gewann Durchgang drei mit 11:8, musste aber erneut in den Entscheidungssatz, da Durchgang vier mit 11:5 an Soete ging. Hier ging Bielinski mit 8:2 in Führung und alles schien in Richtung Sieg zu deuten. Allerdings stehen die unermüdlichen Kämpfer nicht nur in den Reihen der SG und auch Soete wollte einfach nicht aufstecken. Bei 9:6 nahm Bielinski eine Auszeit, um nochmals die Konzentration für die letzten Punkte zu sammeln. Diese Auszeit hatte aber für Soete den besseren Effekt, denn er machte in einem Spiel auf allerhöchstem Niveau tatsächlich vier Punkte hintereinander. 9:10, Matchball Lauwe! Doch man kann es einfach zusammenfassen: nicht heute, nicht gegen Bielinski! Er wehrte diesen Matchball ab, erkämpfte sich einen eigenen und nach dem besten und längsten Ballwechsel des gesamten Mannschaftskampfes konnte er mit einem knallharten Vorhandschuss den Sack zumachen. Jubel auf der SG Bank, aber auch viel anerkennender Applaus des durchaus fachkundigen Publikums aus Lauwe. Die SG führte erstmals mit 3:2. Nur noch ein Punkt zum Achtelfinale!
Heinz Marzell spielte im Spiel sechs gegen Bob Devos. Mutig agierend konnte er gegen Devos den ersten Satz klar mit 11:7 gewinnen. Doch ebenso, wie Schwierz im ersten Einzel gegen diesen Gegner, wurde er nervöser je länger das Spiel andauerte. Er kam in den Folgesätzen nicht mehr in die Nähe eines Satzgewinnes und verlor die nächsten drei Durchgänge mit 6:11, 7:11, 4:11. Somit konnte Lauwe ausgleichen. Der Wahnsinn Intercup sollte seinen Höhepunkt im alles entscheidenden siebten und letzten Spiel finden!
Schwierz gegen Mourisse und 200 Zuschauer
Die Partie Mourisse-Schwierz sollte den krönenden Abschluss auf diesen internationalen Tischtennistag bringen. Beide Spieler waren in ihren ersten Einzeln auf dramatische Weise unterlegen. Es stellte sich insofern die Frage, ob Mourisse in diesem Einzel die 200 Zuschauer als Unterstützung oder als Druck empfinden würde. Ebenso konnte man sich bei Schwierz fragen, ob nach dem gewonnen Doppel sein Nervenkostüm in dieser frenetischen Atmosphäre dick genug sein würde.
Der entscheidende Tipp sollte von Coach Marzell kommen, als er Schwierz mit auf den Weg gab, er solle das ganze „humorlos“ (für die Gastgeber) beenden. Schwierz verstand, blieb zu Beginn ruhig und fokussiert und siegte im ersten Satz mit 11:4. Auch im zweiten Satz hatte er alles im Griff. Doch bei 8:4 gab es einige Netz- und Kantenbälle für den Gegner, was einerseits noch zum einem 9:11 Satzverlust führte und andererseits Schwierz auch wieder fahriger und lauter werden ließ. Wieder konnte Marzell Schwierz in der Pause „abkühlen“. In Satz drei startete Schwierz mit 5:0. Bei 5:1 und einem erneuten Glücksball des Gegners brach es aus Schwierz heraus. Lautes Wehklagen und ein wenig Gejammer waren die Folge. Von dem eigenen Ausbruch überrascht, nahm er allerdings auch sofort die ein-minütige Auszeit, um erneut die „Kernschmelze“ zu vermeiden. Das verfehlte seinen Effekt nicht. Er zog von nun an souverän seine Kreise und gewann den dritten Satz nach sechs Punkten in Folge mit 11:2. Nun sollte Schwierz auch die lautesten Fangesänge nicht mehr stoppen können. Er ging auch im vierten Durchgang direkt in Führung. Bei 6:3 versuchte Mourisse mit einer Auszeit die drohende Niederlage zu verzögern und gar zu vermeiden. Doch Schwierz konnte auch nach dieser Auszeit direkt wieder punkten und hatte bei 10:4 sechs Matchbälle, um die SG in die nächste Runde der unglaublichen Reise auf internationalen Parkett zu bringen. Der erste Matchball blieb ungenutzt, doch der zweite konnte unter dem Jubel der Mannschaft und des Kameramann verwertet werden!
Die SG Frei Laubersheim/Hackenheim/Winzenheim siegt bei TTC Leie Lauwe mit 4:3 und ist so unter den besten 16 Teams im europäischen Intercup
Unglaublich! Wahnsinn! Unfassbar! Unvergesslich! Höhepunkt des Jahres, wenn nicht eines Spielerlebens! Weniger kann man einfach nicht sagen zu dem, was sich am 14.12.2014 zwischen 10:30 und 14:45 abspielte. Die SG mit Kristof Bielinski, Holger Schwierz und Heinz Marzell nutzt die Chance bei TTC Leie Lauwe und siegt im belgischen Hexenkessel vor 200 (201 – dank Christian Peinemann!) Zuschauern. Bielinski wehrt in beiden Einzeln Matchbälle ab und wird so zum Matchwinner, da er auch am Punkt im Doppel mit Schwierz beteiligt ist. Schwierz bei 3:3 mit dem unglaublichen Abschluss. Ein unvergessliches Erlebnis, auch abseits des knappen Sieges. Die Gastgeber sind für ihre tollen und zahlreichen Zuschauer zu beglückwünschen, für die Organisation dieses Events und am allermeisten für die sportliche Fairness nach der knappen Niederlage. Ein Vorbild über alle Landesgrenzen hinweg!
Nun wartet die SG gespannt auf die Auslosung zu Runde der letzten 16, die vermutlich Mitte Januar 2015 stattfindet. Was wünscht man sich auf Seiten der SG? Entweder einen schwächeren Gegner im europäischen Ausland, auch in der Hoffnung mehr SG Mitglieder dabei zu haben, oder aber einen „Riesen“ an eigenen Tischen, wie zum Beispiel die Bundesligaakteure des PSV Mühlhausen. Mit Blick auf die im Wettbewerb noch befindlichen Teams muss man allerdings sagen, dass die SG vermutlich immer als absoluter Außenseiter an den Tisch gehen wird. Das soll das Erlebnis Intercup aber auf keinen Fall schmälern!!